Zuhause ist es doch am schönsten, oder ?
Tu vas rentrer "chez-toi", non ? Wie oft wurde ich das in den letzten Tagen gefragt; Beantworten kann ich diese Frage trotzdem nicht. Denn ich werde zwar meine Eltern an Weihnachten wiedersehen (zum ersten Mal nach 3,5 Monaten), aber ist Potsdam noch immer "chez-moi" ?
Bevor ich nach Frankreich gezogen bin, habe ich 18 Jahre lang mit meinen Eltern in Potsdam gewohnt, ich kannte die Stadt in- und auswendig und jeden noch so versteckten Winkel par cœur. Doch in den letzten Monaten ist auch La Ferté mein sicherer Hafen geworden. Und wenn ich sage, ich komme nach Hause, dann meine ich immer die WG. Aber kann ein Ort nach nur 3 Monaten die gleichen Gefühle hervorrufen wie ein anderer es nach 18 Jahren tut ?
Ein ziemlich schlauer Mann (ich glaube, es war Christian Morgenstern) hat mal gesagt: "Zuhause ist dort, wo wir uns verstanden fühlen."
Und genau das trifft auf La Ferté zu. Auch wenn mich dort Vieles stört ( die Einstellung der Schüler, der nicht existierende Nahverkehr ... ), fühle ich mich verstanden: Meine Tutorin und mein Mitbewohner sind einfach goldig; und ich habe dort - aber nicht nur dort, sondern auch in der mehr oder weniger nahen Umgebung (ich behaupte jetzt einfach mal, dass Le Mans in der Nähe ist) - supertolle Menschen kennengelernt (Grüße an meine Filles Normandes ! ), die genau die gleiche Situation durchleben wie ich und mich deshalb zu 100 % verstehen können. Meine Eltern und der Rest meiner Familie können hingegen mein Leben in Frankreich nicht wirklich nachvollziehen. Ich schreibe ihnen zwar regelmäßig oder wir telefonieren auch mal (allerdings nur ungefähr alle zwei Wochen), um ihnen von meinen Erlebnissen in Frankreich zu erzählen oder um sie um Rat zu fragen, aber es ist natürlich nicht einfach für sie, meine Reisen und meine Arbeit nachzuvollziehen, wenn sie an den Orten noch nie waren oder das französische Bildungssystem noch nicht live miterlebt haben.
Natürlich ist das einerseits traurig und auch nicht einfach - weder für meine Eltern noch für mich, aber so pathetisch es klingt: ich werde erwachsen und möchte im Moment einfach nur genießen, was das Abenteuer Frankreich noch so für mich bereit hält. Und natürlich wird es wieder Momente geben, wo ich meine Eltern und ihre klugen Ratschläge unglaublich vermisse (die gab bis jetzt auch schon zur Genüge), aber ich will endlich selbstständig sein und mein Leben komplett allein organisieren können (natürlich weiß ich trotzdem, dass ich meine Eltern immer anrufen kann).
Bevor also zurück nach Deutschland geflogen bin, war ich mir sicher, dass La Ferté trotz der kurzen Zeit bereits mein Zuhause geworden ist. Und tatsächlich; die ersten Tage habe ich bei meinen Eltern in der Küche die falschen Schränke geöffnet, als ich ein Glas gesucht habe; oder aus Gewohnheit meine Schuhe auch in der Wohnung angelassen (darüber hat sich meine Mama nicht wirklich gefreut).
Doch mittlerweile hat sich auch das wieder gelegt. Und wie ich nun gerade hier so sitze. In Jogginghose im Bett, mit einer Cornflakesschüssel auf dem Schoss und dem Laptop vor mir, fühlt es sich an, als hätte ich nie meine Koffer gepackt und wäre nie nach Frankreich gezogen.
Vielleicht versuche ich gerade einfach zu sehr, festzulegen, was denn nun mein Zuhause ist. Vielleicht ist es viel einfacher. Vielleicht habe ich momentan einfach das unheimliche Glück, zwei "chez-moi"s zu haben.
In diesem Sinne wünsche ich allen - allen voran natürlich euch, Mama und Papa, und euch meinen Filles Normandes Lydia, Jule, Gönke und Betül - ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch. Auf dass es in 2017 genauso weitergeht, wie 2016 aufgehört hat !