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Angeblich ist man am ehrlichsten, wenn man müde ist. Also müde bin ich auf jeden Fall, auch wenn mich Ed Sheeran momentan noch erfolgreich vom Schlafen abhalten kann.


Dann versuche ich jetzt einmal, wirklich ehrlich zu sein. Andererseits, will ich meine persönlichen Gedanken wirklich mit der ganzen Welt teilen (der kleine Narzisst in mir glaubt natürlich, dass dieser Blog hunderte wenn nicht sogar tausende Leser pro Minute hat) ?


Wenn ich ehrlich bin - und das habe ich mir ja jetzt fest vorgenommen - fühle ich mich momentan ziemlich verloren. Verloren im Sprachwirrwarr aus Französisch, Deutsch, Englisch und dem Wunsch, am besten noch mehr Sprachen (Hebräisch, Arabisch, Chinesisch) zu lernen.

Verloren auf der Suche nach meinem Zuhause, wobei ich nicht einmal weiß, was das überhaupt bedeutet.


Verloren, wenn ich mich frage, ob das, was ich mache, das Richtige ist. Tagein tagaus sitze ich hauptsächlich im Büro und fühle mich ziemlich nutzlos. Natürlich helfe ich immer wieder im Unterricht (etwa zwei Stunden pro Tag), aber den Großteil der Zeit (die restlichen 4 Stunden - von denen 1 Stunde Mittagspause ist und ich auf Schulkosten Essen gehe) beschäftige ich mich mit allen möglichen Dingen; ich plane meinen Urlaub oder das nächste Wochenende, gucke die Tagesschau oder französische Nachrichten, lerne mithilfe eines alten Trivial Pursuit Vokabeln (und bin deprimiert, weil ich vielleicht 0,22 % der Fragen beantworten kann - wenn ich sie denn verstehe) oder lenke das halbe Büro mit Fragen über die französische Grammatik (Was ist der Unterschied zwischen "an" und "année"?) ab. Denn wenn ich eines in den letzten vier Monaten gelernt habe, dann ist es das: Mein Service Civique ist dazu gedacht, mir einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen. Denn im Grunde bin ich für die Schule kaum von Nutzen. Der Schulalltag würde ohne mich ganz genauso laufen wie er es im Moment mit mir tut. Und wahrscheinlichen würden 60% - naja vielleicht 50% (meldet sich wieder der kleine Narzisst in mir zu Wort) - der Franzosen meine Arbeit besser machen als ich, allein schon aufgrund der fehlenden Sprachbarriere.


Verloren, wenn ich mir Gedanken über meine Zukunft mache. Gut, verloren mag vielleicht das falsche Wort sein. Viel eher habe ich Angst, Angst mich falsch zu entscheiden, Angst einer Idee nicht genügend Aufmerksamkeit zu schenken, und Angst davor, mich aus Angst überhaupt nicht zu entscheiden. Ich will die Welt entdecken, und gleichzeitig habe ich Heimweh (obwohl ich eigentlich zu stolz bin, es zuzugeben). Ich will schon wieder eine neue Sprache lernen, obwohl ich selbst nach 4 Monaten in Frankreich noch immer nach etwa jedem fünften Satz nachfragen muss, weil ich etwas nicht verstanden habe. Ich will Journalistin werden, und habe gleichzeitig Angst, dass ich es nicht schaffen werde, dass ich einfach nicht gut genug bin, und traue mich deshalb nicht einmal eine Bewerbung zu schreiben (aus Angst vor der Enttäuschung, sollte ich trotz all der Mühen nicht genommen werden). Stattdessen habe ich aus Verzweiflung eine Bewerbung für den gehobenen Dienst beim Auswärtigen Amt geschrieben - und wurde zum Einstellungstest eingeladen. Ich werde nicht hinfahren - sondern Urlaub in Barcelona machen. Und schon ist sie wieder da: die Angst, sich falsch entschieden zu haben; die Angst, etwas Entscheidendes zu verpassen ...

 

Auch nach dem fünften Lesen bin ich mit dem Blogeintrag nicht zufrieden. Ich finde nicht wirklich die passenden Worte und außerdem möchte ich den Eintrag eigentlich mit einem positiven Gedanken beenden. Aber vielleicht muss ich einfach akzeptieren, dass Vieles gut so ist, wie es ist. Dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen und Angst zu haben. Dass ok ist, an sich zu zweifeln und sich nachts den Kopf über alles, was kommen mag oder auch nicht, zu zerbrechen.


Und nun habe ich es doch tatsächlich geschafft; ich bin 629 Wörter lang ehrlich geblieben. Und vielleicht ist das wichtiger, als jede einzelne meiner Ängste besiegen zu können ...

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