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Investiture statt Spanisch.

Eigentlich habe ich diesen Blog ja angefangen, um vor allem meiner Familie und meinen Freunden mein Leben hier in Frankreich skizzieren zu können. Und eigentlich möchte ich auch wirklich dabei bleiben, vor allem über Reisen, Sprachbarrieren (ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sie irgendwann verschwinden werden), mein Lieblingsthema SNCF und die Höhen und Tiefen des Alltags zu schreiben.


Allerdings ist es vielleicht aufgefallen, dass die letzten Einträgen sehr persönlich waren und ich viele grundsätzliche Dinge in Frage gestellt habe. Es ist fast schon Tradition, dass ich jedes Jahr nach Weihnachten einem kleinen Januar-Blues habe und alles in meinem Leben verändern möchte. Letztes Jahr war ich davon überzeugt, mir selbst Klavierspielen beibringen zu können - nach einer Woche habe ich es aufgegeben. Dieses Jahr war ich der Meinung, autodidaktisch Spanisch lernen zu können. Also habe ich mir vor zwei Wochen hochmotiviert "10 minutes d'espagnol" in der Bibliothek ausgeliehen. Bisherige Bilanz: 0 Wörter in 0 Minuten. Naja, aber ich habe ja auch noch zwei Wochen, bevor ich das Buch wieder zurückgeben muss.


Wahrscheinlich werde ich aber auch in den nächsten zwei Wochen wieder vor dem Computer landen anstatt vor dem Spanischbuch. Endlich habe ich herausgefunden, wie ich auch zu Hause WLAN habe, wodurch mein Laptop praktisch im Dauerbetrieb ist. Ob Nachrichten oder irgendwelche dämlichen YouTube-Videos (z.B. wie sich Polyglott(s/e?) in 594 verschiedenen Sprachen miteinander unterhalten), irgendwie schaffe ich es immer, stundenlang vor dem Computer sitzen zu bleiben. Heute habe ich ausnahmsweise sogar mal etwas mehr oder weniger Sinnvolles geguckt: die Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten.


Zwar finde ich, dass ich nicht wirklich genug genug Politik weiß, um seine Entscheidungen, Vorschläge und Aussagen hundertprozentig beurteilen zu können. Nichtsdestotrotz habe ich eine klare Meinung und so kam das "America first!" zwar nicht unerwartet, aber geschockt war ich trotzem. Ich glaube, auch ohne einen Blick ins Geschichtsbuch weiß jeder, wie das schon einmal geendet hat. In Deutschland macht dieses Kapitel der deutschen Geschichte gefühlt 99% des Geschichtsunterrichts aus. Und trotzdem habe ich mich in Deutschland mit den Ereignissen, die ja immerhin schon über 70 Jahre her sind, nie identifizieren müssen. Weder meine Generation noch die Generation meiner Eltern würde sich jemals aufgrund dieser Ereignisse rechtfertigen oder sich gar schuldig fühlen müssen.


Das ist eindeutig ein Luxus, der mir hier in Frankreich vergönnt ist. Da wird hier und dort ein Witz gemacht, dass die Deutschen ja immer die Kriege anfangen, sehr effizient im Töten sind und immer wieder fällt das Wort "Hitler". Oft weiß ich nicht, was ich antworten soll. Was sagt man auch jemanden, der nicht verstehen kann/will, dass ich genauso wenig mit Deutschlands Nazivergangenheit zu tun habe wie er ?


Im April wird in Frankreich ein neuer Präsident gewählt, und böse Zungen unken, dass das Ergebnis nicht viel besser als in den USA ausfallen wird. Natürlich kämpfe ich gegen Windmühlen, wenn ich versuche, die politische Einstellung der Schüler wieder ins Zentrum (oder wenigstens vom rechten Rand weg) zurücken. Stattdessen könnte ich den Polyglott(s/e?) weiter zuschauen, wie sie so vergnügt die Welt entdecken. Oder immerhin Spanisch lernen. Aber wenn ich es nicht wenigstens versuche, werde ich ja auch nie wissen, ob es nicht doch geklappt hätte.

 

Aber das war es jetzt erstmal mit den kleinen Einflügen in meine Gedankenwelt. Auch wenn hier unglaubliche -8°C sind, wird endlich wieder ein bisschen gereist. Morgen Caen, Sonntag der Mont St. Michel. Und nächste Woche erst Paris und dann Le Mans. Genügend Möglichkeiten also, sich mal wieder mit der französischen Gastfreundschaft und leider auch mit SNCF auseinanderzusetzen.


Falls sich noch jemand fragt, was denn Polyglott(s/e) überhaupt sind:

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