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Benvenuto in Italia !

Reisen will gelernt sein ....


Selbst wenn ich meinen Freiwilligendienst in der Normandie leiste, mache ich auch die Nachbarländer Frankreichs unsicher. Nachdem ich ja während der Winterferien im Februar in Barcelona war, konnte ich letzte Woche eine Gruppe von Schülern während einer Studienreise in der Toskana (Florenz, Prato und Pisa) begleiten (es war also offiziell meine Arbeit ;) ....)


Natürlich könnte ich jeden einzelnen Tag seitenlang beschreiben, aber ich bezweifle, dass das jemand lesen wird. Deshalb lasse ich einfach die Bilder sprechen.

Ehrlich gesagt habe ich lange überlegt, was ich über diese Reise schreiben werde. Denn Eines ist sicher; ich werde sie so schnell nicht wieder vergessen - aus vielen verschiedenen Gründen.


Vor der Reise hatte ich nur ein einziges Mal mit den Schülern (apprentis oder Reisegruppe Chaos) zu tun gehabt - zusammen mit dem französischen Freiwilligen hatte ich eine Intervention zum Thema Homophobie organisiert. Die Schüler haben sich dabei von ihrer besten Seite gezeigt - konservativ, sexistisch und rassistisch. Und auch wenn ich damals einfach nur geschockt gewesen war, war ich vor der Reise ziemlich optimistisch gestimmt - so "schlimm" konnten die Schüler ja nun doch nicht sein ...


Nun ja, "schlimm" ist definitiv nicht das richtige Wort, "anders" trifft es da wohl eher. So lieb und nett die Schüler auch sein mögen, wir haben - abgesehen vom Alter - keine einzige Gemeinsamkeit (was aber kein Vorwurf sein soll). Ihr gesamtes Leben ist bereits durchgeplant: Sie beenden ihre Ausbildung (die einem deutschen Hauptschulabschluss entspricht) und werden dann ein paar Jahre als Angestellter auf einem Bauernhof arbeiten, bevor sie den Hof ihrer Eltern/Freunde/Nachbarn etc. übernehmen werden. Keine Ferien, kein Urlaub, keine Pausen.


Wow. Als sie mir das so erklärt haben, war ich schon etwas geschockt. Einerseits war ich beeindruckt, dass sie jetzt schon so genau wissen, was sie im Leben erreichen möchten. Andererseits wusste ich nicht so richtig, was ich sagen sollte, denn für mich persönlich ist ein solcher Lebensentwurf ziemlich unvorstellbar.


Wir haben also diese Woche mit ziemlich unterschiedlichen Voraussetzungen gestartet. Die Schüler sind zum ersten Mal wirklich verreist - ins Ausland und ohne auf einem Bauernhof arbeiten zu müssen. Sie sind zum ersten Mal geflogen und waren zum ersten Mal in einem Land, wo nicht/kaum Französisch gesprochen wird. Dementsprechend war natürlich ihr Verhalten an den ersten Tagen: Sie haben sich nicht getraut, allein das Hostel zu verlassen und wenn wir in der Stadt etwas Freizeit hatten, sind sie immer bei mir geblieben (mit 10m Abstand, damit ich keinen Verdacht schöpfe) und sie haben alle möglichen Souvenirs gekauft. Sie haben sich über das Essen beschwert ("Wieso haben die hier kein Baguette?") und darüber, dass niemand Französisch spricht. Dennoch war es unglaublich niedlich, dass sich die Schüler im Laufe der Woche immer mehr getraut haben und am Ende sogar alleine mit dem Bus in die Stadt gefahren sind.


Trotzdem gab es natürlich Momente, wo ziemlich deutlich wurde, dass sie und ich in verschiedenen Welten leben: Ein Mädchen hat Zahnschmerzen, nimmt eine Überdosis Schmerztabletten und wundert sich dann, dass sie sich die Seele aus dem Leibe kotzt (sorry für die Formulierung). Ein anderes Mädchen trägt ein T-Shirt mit dem Schriftzug "Boom" und erklärt mir "Das ist ein T-Shirt, um ein Attentat zu begehen". Die Jungs lernen australische Mädels im Club kennen, haben keinen Erfolg bei ihnen und versuchen dann, bei mir weiter zu kommen (ich war als Übersetzerin mitgekommen) - die Jungs haben sich daraufhin ganz schnell die ein oder andere Ohrfeige verpassen lassen müssen.


Am zermürbendsten war jedoch die politische Einstellung der Schüler, und ihre Motivation, diese immer und überall kundtun zu müssen. Sie sind alle (bis auf eine Ausnahme - die sehr darunter leiden musste) große Verfechter von Marine LePen, wiederholen ihre Parolen und laufen die Marseillaise singend durch die Straßen. Ich habe mich selten so geschämt, zu einer Gruppe gehören zu müssen. Natürlich ist dann auch noch die zweite Runde der Wahlen in den Reisezeitraum gefallen, sodass wir am Sonntagabend alle zusammensaßen und gespannt auf die Ergebnisse gewartet haben. Macron. Da war die Erleichterung groß - jedenfalls bei mir. Bei den Schülern überwog wohl eher die Enttäuschung. Am gleichen Abend musste ich mir noch von einem der Schüler erklären lassen, dass ich ja kein Recht hätte in Frankreich zu sein ("Tu n'est pas francaise.") und sofort nach Deutschland zurückkehren solle. Merci beaucoup für diese Gastfreundschaft ...


Zum krönenden Abschluss haben wir dann natürlich (wie musste es auch anders kommen) am Montagmorgen den Flieger verpasst - das ist mir auch noch nicht passiert. Unglaublich viel Stress, 40 Stunden ohne Schlaf, aber am Ende sind wir doch noch in La Ferté angekommen.


Und auch wenn ich hier die Woche ziemlich schwarz male (ich bin einfach die geborene Pessimistin), war natürlich nicht alles schlecht. Die Stadt ist super schön, das Wetter war definitiv besser als in der Normandie, und natürlich hatte ich auch schöne Momente mit den Schülern: Nach dem Abend im Club hatten die Schüler ein ziemlich schlechtes Gewissen und haben mir sogar Pralinen als Entschuldigung geschenkt. Einen anderen Abend saßen wir einfach zusammen, haben komische italienische Milch getrunken (natürlich nicht bio, geschweige denn AOP) und sie haben mir hochmotiviert von ihrem Leben auf dem Bauernhof erzählt.


Ich weiß, dass ich und die Schüler nie die besten Freunde sein werden; ich weiß, dass ich ihre Einstellungen zu vielen Themen (politisch/gesellschaftlich) strikt ablehne. Wir leben einfach in verschiedenen Welten, und dennoch habe ich in dieser Woche so unglaublich viel von ihnen gelernt.


Merci.


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