Tere Eesti!
Nach ein paar etwas ruhigeren - ja fast schon lethargischen Wochenenden habe ich mich endlich einmal wieder ins wahre Freiwilligenleben gestürtzt.
Zusammen mit sechs anderen Freiwilligen bin ich nach Tallinn, der estnischen Hauptstadt, gefahren, um dort das Wochenende zu verbringen. Weil die Baltischen Staaten (offensichtlich) doch ziemlich klein sind, ist man in nur vier Stunden (mit dem Bus) in Tallinn - und auch wenn eine mehrstündige Busfahrt eigentlich nichts Interessantes zu bieten hat, war das wohl der modernste Bus, mit dem ich je gefahren bin. Gefühlt 100 Meter Beinfreiheit, All you can drink für Kaffeespezialitäten und Tee, perfektes WLAN und eine ziemlich gute Auswahl an neuen Filmen. Vor allem angesichts der teilweise doch erschreckenden Lebensbedingungen in Lettland - außerhalb der Städte leben die Menschen zum Teil noch immer ohne fließend Wasser - und das in einem Staat, der seit 14 Jahren Mitglied der EU ist - war ich von diesem Luxus-Bus doch echt positiv überrascht, sodass die Fahrt am Meer entlang und durch einsame Wälder wie im Fluge verging.
In Tallinn angekommen, haben wir uns noch schnell bei Tageslicht die Stadt angeschaut - mittlerweile geht hier um 15.30 Uhr die Sonne unter (und um 9 Uhr auf), sodass man die wenigen Stunden Sonne oder zumindest Tageslicht so gut wie irgendmöglich nutzen muss. Also sind wir durch die kleinen Straßen gewandert und haben versucht, die Aussicht aufs Meer zu genießen. Auch wenn man dank des Nebel praktisch nicht einmal die estnische Seite des Meeres gesehen hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass man bei gutem Wetter sogar Helsinki sehen kann - was bis jetzt aber jeder Este verneint hat. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Nach einem ziemlich beeindruckenden Besuch im Nationalen Design-Museum haben wir dann endlich den eigentlichen Grund für unseren Besuch besucht - den Tallinner Weihnachtsmarkt mit dem größten Weihnachtsbaum im ganzen Baltikum. Aber natürlich ist es schon ziemlich mutig als Deutsche einen 'Nichtdeutschen' Weihnachtsmarkt zu besuchen, denn so verrückt in Sachen Weihnachten wie die Deutschen sind, ist wohl kein anderes Land. Trotzdem war die Atmosphäre nicht schlecht - dank estnischer Weihnachtsmusik und sogar etwas Schnee.
Nach einer schnellen Koch-Orgie im Hostel bin ich dann am Abend noch einmal mit Fanette, meiner französischen Mitfreiwilligen aus Tukums, losgezogen, um Tallinn etwas genauer kennenzulernen. Dabei haben wir ziemlich alte Navy-Boote und den verlassenen alten Hafen gefunden. Allerdings sind all unsere Versuche, uns den Hafen auch von innen anzugucken, fehlgeschlagen - ist vielleicht auch besser so ....
Am nächsten Tag sind wir dann verzweifelt (und leider auch vergeblich) durch Tallinn gewandert, um noch die restlichen Weihnachtsgeschenke für unsere Familien zu besorgen - aber nach stundenlanger verzweifelter Suche sind wir schließlich noch ins Health Care Museum gegangen (nur zu empfehlen !), bevor dann auch unser Kurztrip nach Estland in einem weiteren unglaublich mordernen Bus endete.
Mittlerweile läuft der Countdown schon - in 5 Tagen ist Weihanchten und ich werde nach vier Monaten wieder meine Familie sehen. Auf der einen Seite freue ich mich unglaublich auf meine Eltern und Freunde und es ist ziemlich gut, dass meine Mitbewohner und ich ein bisschen Abstand können. Und trotzdem bleiben die kleinen Zweifel im Hinterkopf: Wie sehr haben sie sich verändert? Wie sehr habe ich mich verändert ?
Denn dass wir uns verändert haben, that's for sure !