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Runnin', Runnin', Runnin'

2:15:25 h. Zwei Stunden, fünfzehn Minuten und fünfundzwanzig Sekunden. Voilà, die Bestzeit im Marathonlauf für Frauen.

Davon können Fanette, meine französische Mitfreiwillige, und ich nur träumen. Abenteuerlustig (man könnte es auch naiv nennen), wie wir nun einmal sind, haben wir am letzten Wochenende einfach - ohne jede Vorbereitung - an einem 40km-Hike teilgenommen. Und für die Strecke über 9h gebraucht. Marathonläuferinnen werden wir also definitiv nicht mehr.


Nichtsdestotrotz war unsere kleine Wanderung ein wahres Erlebnis. Ausgestattet mit Essen für eine ganze Kompanie (Fanette verbringt definitiv zu viel Zeit mit Deutschen und versteht mittlerweile endlich die Vorzüge der guten alten Brotdose) machten wir uns viel zu früh auf den Weg nach Carnikava im Nordosten von Lettland, wo die Wanderung starten sollte. Und auch wenn sich die Letten noch immer beschweren, dass der Winter dieses Jahr kein richtiger Winter ist (zu warm und zu wenig Schnee), für uns Mitteleuropäer ist es draußen einfach nur zu kalt. Während also unsere Wandercompagnons mit Funktionskleidung und Wanderstöcken ausgestattet waren, blieb uns nur, die magere Freiwilligengarderobe zu plündern - in der Hoffnung, irgendwie der Kälte und der Nässe trotzen zu können. Trotz der noch so ausgeklügelten Zwiebeltechnik sind wir kläglich gescheitert und schon nach wenigen Minuten waren unsere Schuhe komplett durchgeweicht. Perfekte Voraussetzung also für die nächsten neun Stunden.


Doch wir waren motiviert wie nie, 40 Kilometer müssten doch irgendwie zu schaffen sein. Schließlich gibt es Leute, die diese Strecke laufen - zum Teil auch noch im Alter von 100 Jahren. Da sollte doch so eine kleine Wanderung für uns kein Problem sein. Aber irgendwie haben wir in unserer Rechnung vergessen einzukalkulieren, dass an so einem Tag ziemlich viel schief gehen kann. Nach 10 Kilometern ging es uns blendend und wir waren von der Natur beeindruckt, doch nach einem kurzen Ausflug in die Büsche, gelang es uns nicht mehr, Anschluss an die Gruppe zu finden und wir fielen zusammen mit ein paar Nachzüglern (die aber anders als wir zumindest GPS hatten) immer weiter zurück. Glücklicherweise machte das Hauptfeld dann eine längere Pause, sodass wir eine Chance hatten, es wieder einzuholen - allerdings wurde uns dafür die komplette Pause gestrichen.


Nach Kilometer 23 wurde dann das Tempo plötzlich angezogen und ein paar Kilometer später verließen wir auf einmal den sicheren Weg und liefen querfeldein weiter. Zu diesem Zeitpunkt wollten weder Fanette noch ich wirklich weiterlaufen aber wir hatten keine Wahl. Irgendwo im Nirgendwo Lettlands war ein Umkehren nicht möglich. Also Augen zu und durch. Ab Kilometer 35 kam dann die Hoffnung zurück; das Ziel konnte doch nicht mehr fern sein - bis wir die Gruppe erneut verloren. Wir schafften es einfach nicht, das Tempo der anderen zu halten, es wurde immer dunkler und plötzlich waren wir völlig auf uns allein gestellt. Ohne Internet, ohne GPS, ohne Plan. Wir kannten nicht einmal den Namen des Ortes, wo dem aus wir wieder den Zug zurück nach Riga nehmen wollten. Also blieb uns nichts Anderes übrig als der Straße zu folgen und zu hoffen, dass wir auf diese Weise irgendwann irgenwie irgendwo ankommen würden.




Gesagt, getan und man glaubt es kaum, aber manchmal haben wir tatsächlich mehr Glück als Verstand und nach 9h23min (über eine halbe Stunde nach den anderen) kamen wir endlich an der Bushaltestelle an - und plötzlich waren alle Schmerzen, alle Blasen, alle blauen Zehen vergessen.


Der besagte Hundertjährige ist übrigens der Inder Fauja Singh (mittlerweile ist er 106 Jahre alt), der die Marathondistanz (42,195km) in einer Zeit von 8:25:16h zurückgelegt hat. Selbst davon sind Fanette und ich noch immer weit entfernt.



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